Liebesbriefe an Adolf Hitler

Die Sache mit Adolf Hitler und den Frauen ist kein unbekanntes Thema. Was das Künstlerkollektiv „transit | interdisziplinäre kunst und kultur“ im Innsbrucker Treibhaus auf die Bühne bringt, ist aber noch einmal von besonderer Qualität. Ich habe mir „Liebesbriefe an Adolf Hitler. Briefe in den Tod.“ angeschaut.

Ayla Antheunisse, Katarina Csanyiova, Lisa Weiss und Julia Kronenberg; Foto: ©transit

Ayla Antheunisse, Katarina Csanyiova, Lisa Weiss und Julia Kronenberg; Foto: ©transit

Rund 8000 Briefe fand ein amerikanischer Soldat 1946 in der deutschen Reichskanzlei – Fanpost an den Führer, darunter unzählige Liebesbriefe von Frauen. Die Gruppe „transit | interdisziplinäre kunst und kultur“* hat aus diesen Briefen 17 ausgewählt und in „Liebesbriefe an Adolf Hitler. Briefe in den Tod.“ zu einem „60minütigen Requiem für eine verlorene Liebesarmee“ verwoben.

Dafür hat das Kollektiv den Treibhaus-Keller ist in eine Art Salon verwandelt. Ein Bild Hitlers an der Wand, ein großer goldfarbener Bilderrahmen hängt von der Decke. Auf der kleinen Bühne ein Kontrabass, Barhocker an den Säulen, der ganze Raum ist Bühne. Die Zuschauer sitzen an Tischen und mitten im Geschehen.
Die Darstellerinnen – Ayla Antheunisse, Katarina Csanyiova, Julia Kronenberg – sind bezopft und von hochgeschlossener Strenge. Betulichkeit im Stil der 1940er-Jahre. Sie lesen Passagen aus Briefen, die mit „Süßes Adile“, „Du süßes Luderchen“„Mein heiß geliebter Führer“ beginnen. Die Briefe sind durchsetzt von schwärmerischen, rührenden, anbiedernden, naiven, auch fordernden Liebesbekundungen an Adolf Hitler und haben oft eine geradezu grotesk-witzige Note.

Ayla Antheunisse, Katarina Csanyiova, Julia Kronenberg und Lisa Weiss; Foto: ©transit

Ayla Antheunisse, Katarina Csanyiova, Julia Kronenberg und Lisa Weiss; Foto: ©transit

„Mein liebes Herzblatt, du suchst eine Frau, ich suche einen Mann, wir könnten schon seit zwei Jahren zusammen sein“, schreibt eine der Schmachtenden. Liebesbriefe von Groupies – für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Gleichzeitig erzählen sie vom Alltag dieser Frauen, ihren Nöten und Sorgen, ihren Hoffnungen und Träumen, sind anrührend, bewegend. Es ist der Adressat, der einen gruseln macht. Umso mehr, als man nicht nur einmal vergisst, wer der derart Angehimmelte ist – und immer wieder aus vollem Herzen lacht.

Der großmäulige Hitler und Lisa Weiss; Foto: ©transit

Der großmäulige Hitler und Lisa Weiss; Foto: ©transit

Das Künstlerkollektiv um Regisseur Andreas Pronegg hat sich einiges hat einfallen lassen, um eine intime Atmosphäre zu schaffen. Wunderbar die musikalischen Zwischenspiele von Lisa Weiss am Kontrabass, die Liebeslieder aus jener Zeit interpretiert; zwischen grotesk und lächerlich die Auftritte des Führers (Emil Kranewitter) und in Gestalt einer Puppe (entworfen von Maxe Mackinger). Dazu Gugelhupf und Kekse und zum Abschluss ein gemeinsames Lied.
Man schwankt ständig zwischen Lachen, Irritation und Befremden – auch über sich selbst, angesichts der Verführung, der man hier immer wieder erliegt. Das wirkt nach.

Eine klug gemachte theatrale Collage, bei der es nur wenige Momente gibt, wo man denkt, weniger wäre mehr.

„Liebesbriefe an Adolf Hitler. Briefe in den Tod“ läuft leider nur noch am 20. und 21. Dezember, jeweils 20.00 Uhr im Treibhaus, Innsbruck.

Hingehen, ansehen, lachen, irritiert sein, nachdenken. Gut so!

* Das Kollektiv namentlich: Katarina Dsanyiova, Julia Kronenberg, Andreas Pronegg und Ralph Reisinger

 

2 Gedanken zu „Liebesbriefe an Adolf Hitler

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