26 Buchstaben des Alphabets, 26 Städte, 26 Länder, 26 Flüsse rund um die Welt – nicht mehr und nicht weniger wollte Journalistin Sabine Olschner vom Reiseblog Ferngeweht, als sie zum „Stadt, Land, Fluss“-Spiel rief. Zu jedem Buchstaben sollte ein Blogger, eine Bloggerin einen Beitrag über eine Stadt, ein Land oder einen Fluss schreiben. Ich bekam mit dem I Innsbruck, meine Wahlheimatstadt. Nun denn: Mein Innsbruck. Mit Kanaldeckel und Kette.
Es gibt in der Innsbrucker Altstadt einen Kanaldeckel, auf dem ich ab und an zu stehen komme. Er liegt in etwa auf der Höhe des Weinhauses Happ in der Herzog-Friedrich-Straße. Schaue ich von hier aus nach Norden, wie die meisten Passanten es tun, fällt mein Blick auf das „Goldene Dachl“. Schaue ich nach Süden, fällt der Blick auf die Skisprungschanze, auf der alljährlich ein Bewerb der Vierschanzentournee stattfindet.
Ich mag diesen Standort beim Weinhaus Happ, er zeigt die zwei Wahrzeichen der Stadt: Die Schanze steht für die Sportstadt und das Goldene Dachl für die Kulturstadt.
Seit meiner Studienzeit lebe ich in Innsbruck. Und es dauerte eine Zeit, bis meine Wahlheimat meine Heimat wurde. Heute würde ich nirgendwo anders leben wollen. (Naja, wenn’s was gäbe, so mit Meer vor dem Haus und dahinter so fesche Berge wie hierzulande, dann würde ich mir das vielleicht überlegen.)
Innsbruck, Landeshauptstadt von Tirol, 130.000 Einwohner (mit den StudentInnen sind’s noch ein paar Tausend mehr), fünftgrößte Stadt Österreichs und trotzdem Kleinstadt (wenn auch bei weitem die größte Stadt des Bundeslandes) bietet für mich alles, was das Leben schön macht und einen Besuch wert ist: ein feines Kulturangebot, auch im alternativen Bereich, spannende Architektur, interessante Geschichte, nette Lokale und besondere Geschäftchen – und die Nordkette. Prächtiger geht nicht.
Das mächtige Karwendelgebirge flankiert die Stadt im Norden, im Süden prangt der Patscherkofel gerahmt von den herrschaftlichen Gipfeln der Tuxer und Stubaier Alpen.
Der „Kofl“ und die Seegrube auf der Nordkette, sind sozusagen die Hausskigebiete Innsbrucks. Ersterer präsentiert sich lieblich, hügelig, gern föhnumtost; die Seegrube ist von strammen Felsen gerahmt. Nur wirklich gute Skifahrer stürzen die Karrinne hinunter der Seegrube zu; bei guten Schneeverhältnissen geht es auf den Skiern bis zur Talstation auf der Hungerburg.
Rund die Hälfte des Stadtgebietes von Innsbruck sind unbesiedeltes Bergland und es gibt auch einige Almen, wovon sechs der Stadt Innsbruck gehören, nämlich Arzler Alm, Höttinger Alm, Bodensteinalm, Froneben und Möslalm und die Umbrüggler Alm, die vor wenigen Jahren in zeitgemäßem Stil wiedererrichtet wurde und eine herrliche Aussicht ins Wipptal bietet.
Mit Hungerburg- und Nordkettenbahn braucht man gerade einmal eine halbe Stunde, um auf dem Hafelekar, auf 2.256 Meter Seehöhe zu stehen. Ganz nebenbei genießt man nicht nur einen überwältigenden Blick auf die Stadt, sondern auch preisgekrönte Architektur. Die neue Hungerburgbahn wurde, so wie die Skisprungschanze, von Pritzker-Preis-Trägerin Zaha Hadid geplant.
Und die Stationen der Nordkettenbahn sind herausragende Beispiele der „Tiroler Moderne”, die in den 1920-er und 1930-er Jahren international reüssierte und die Innsbruck zahlreiche baukünstlerisch wertvolle Objekte bescherte: das Amraser Schwimmbad zum Beispiel, das Adambräu-Gebäude in der Nähe des Bahnhofs, in dem heute das Architekturzentrum „aut architektur und tirol“ sowie das Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck untergebracht sind.
Wie überhaupt Innsbruck in Sachen hochwertige Architektur einiges zu bieten hat, so zeichnet für das neue Rathaus der französische Architekt Dominique Perrault verantwortlich, für das Kaufhaus Tirol der Brite David Chipperfield und mit dem etwas versteckt liegenden Umspannwerk Mitte realisierte das Amsterdamer Büro UN Studio (Ben van Berkel und Caroline Bos) seinen internationalen Erstling.
Auch auf den Patscherkofel geht es dank öffentlicher Verkehrsmittel und Bahn schneller als ein Bier schal wird. Nicht zuletzt deshalb gehören hier winters Snowboarder, Skifahrer und Rodler zum Straßenbild wie sommers Wanderer, Bergsteiger und Mountainbiker. Die Innsbrucker schätzen die unzähligen Möglichkeiten, die perfekte Infrastruktur. Und nicht nur sie.
Die Zahl der deutschen StudentInnen, die sich für ein Studium in Innsbruck entscheiden, steigt kontinuierlich; natürlich, der Numerus clausus zählt an Österreichs Unis nicht. Aufgrund des riesigen Andrangs gibt es in einigen Fächern (Medizin und Psychologie) mittlerweile aufwendige Aufnahmeprüfungen und -schlüssel. Die Nähe zur Natur, eine lebendige Kulturszene gehören mit zu den Kriterien, warum sich so viele für eine universitäre Ausbildung in Innsbruck entscheiden.
Neben großen Kultureinrichtungen wie dem Tiroler Landestheater oder den Tiroler Landesmuseen, der Kaiserlichen Hofburg, in der einst Kaiser Maximilian residierte, und Schloss Ambras (die Wunderkammer dort, ein Augenschmaus sondergleichen!) – findet sich in Innsbruck eine äußerst aktive alternative Kulturszene, was mich als Kulturjournalistin natürlich besonders freut.
Mehrere Offbühnen wie das Kellertheater, das Westbahntheater oder Theater praesent bieten innovatives Theater und seit einigen Jahren haben die freien Gruppen mit dem „Freies Theater Innsbruck“ eine eigene Location. Galerien und Ausstellungshäuser wie der Kunstraum Innsbruck, die Galerie im Taxispalais oder der Kunstpavillon der Tiroler Künstlerschaft bringen internationale Kunst in die Stadt, bieten eine Plattform für heimische Kunstschaffende. Dazu kommen alternative Kulturzentren wie die Kulturbackstube Bäckerei, in einer ehemaligen Großbäckerei und einer meiner absoluten Lieblingsorte, oder das Treibhaus, das, mitten in der Stadt gelegen, seit Jahrzehnten erstklassiges Programm bietet und das ich schon als Studentin gerne heimsuchte.
Seit einiger Zeit ist ein wirklich erfreulicher Trend zu beobachten: Lässige, kleine Lokale sprießen und unverwechselbare Geschäfte erleben eine Renaissance. Sie sind nach wie vor Herzstück einer jeden Stadt und vielerorts leider von Ketten verdrängt, gerade in den Zentren!
Besonders charmant ist der „endlich* store“, der etwas abseits in Dreiheiligen liegt, in dem es lauter feine Sachen von heimischen KunsthanderwerkerInnen gibt, wunderbare Mitbringsel und spezielle Geschenke. Dazu wirklich nette Lokale, angelegt, wenn nicht zum zweiten Wohnzimmer so doch zur zweiten Wohnküche zu werden. Im „crema coffee und delights“ gibt’s erstklassigen Kaffee, Süßes und Quiches zum Reinbeißen, auch das „haepinest“ in St. Nikolaus ist ausgesprochen heimelig oder das kürzlich eröffnete Kater Noster in der Leopoldstraße oder das „Gönndir“ am Boznerplatz mit Bagels in allen möglichen Variationen auf der Speisekarte.
Eine Veränderung, die mir an meiner Stadt extrem gut gefällt.
Innsbruck ist mit Sicherheit keine Weltstadt, auch wenn das gern propagiert wird, aber eine wunderbare, kleine Stadt, die mich, die ich nun seit einem Vierteljahrhundert hier lebe, immer wieder überrascht. Und nichts tue ich lieber, als zu Fuß durch die Straßen spazieren, den Blick geschärft für die besonderen und sonderbaren Ecken, die es gibt, für das Neue, das entsteht, für die Veränderungen, die jede Stadt lebendig halten und für das Beständige.
Über all dem thront unverrückbar die Nordkette, die wunderbare. An ihr – am Blick auf Innsbruck, ins Inntal; der Horizont so weit, der Himmel so nah – kann ich mich nicht sattsehen, ganz egal, ob ich auf Nockspitze stehe oder auf der Viggarspitze oder auf dem Kanaldeckel in der Innsbrucker Altstadt.
Noch ein paar Tipps für Innsbruck gefällig? Dann bitte hier klicken.
Fotos: © Susanne Gurschler
Schöne Bilder, sieht nach einem sehr gelungenen Aufenthalt aus. Was hat dir persönlich denn am besten gefallen?
Pingback: Stadt, Land, Fluss - die XXL-Runde | Ferngeweht
Vielen Dank für den tollen Beitrag zu meinem Stadt-Land-Fluss-Spiel! Ich war vor gefühlt 100 Jahren mal in Innsbruck. Nach Deinem Beitrag muss ich da dringend nochmal hin.
Dann nix wie her. 🙂