Recherchen in Bibliotheken und Archiven – mag ich! Schrieb ich hier schon. Leider kann ich dieser Leidenschaft nicht so oft nachgeben, wie ich gerne würde. Weil aufwendig. Weil keinen Auftrag. Weil ein solcher oft nicht sonderlich bezahlt – für eine freischaffende Journalistin und Autorin. Aber wenn, dann sinke ich für Stunden, für Tage in eine andere Welt. Tauche ich wieder auf, habe ich weit mehr als das Gesuchte gefunden: neue Geschichten, die darauf warten, geschrieben zu werden. Zuletzt eine über Haare schön.
Der Auftrag war super spannend, der Arbeitstitel weit gefasst: Literatur im 1. Weltkrieg in/über Tirol. Mein Germanistinnenherz war angesprochen, mein Journalistinnenherz, mein Interesse für Regionalgeschichte, mein Forschergeist. Fantastisch. Zudem: Ich habe mich mit dem Thema immer wieder befasst. Kein Neuland also. Perfekt.
Meine Recherchen führten mich einmal mehr in die Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum. (Über das dortige Bibliothekssystem habe ich schon gebloggt: Link)
Mittlerweile kann man die digitalisierten Bestände bequem im Online-Katalog durchforsten. Aber: Die Bibliothek besteht seit 1823, die wahren Schätze finden sich im Zettelkatalog und müssen händisch erarbeitet werden. Ich liebe das. Zudem verfügt die Bibliothek des Ferdinandeums über einen formidablen Zeitungs- und Zeitschriftenbestand, tirolbezogen natürlich, wie es sich für ein Landesmuseum gehört. Sie stehen Spalier, die alten Ausgaben der „Innsbrucker Nachrichten“, des „Boten für Tirol“, des „Allgemeinen Tiroler Anzeigers“ usw. – meist jahrgangsweise gebunden.
Klar, es gibt Anno, den virtuellen Zeitungslesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Für eine fokussierte Recherche ist er ideal. Doch was ist eine Online-Recherche, gegen dieses haptische Vergnügen, eine Zeitung in Händen zu halten. Gegen nichts möchte ich es tauschen wollen. Sogar im Überfliegen von Meldungen, Notizen, Fotos tun sich Welten auf.
Und ganz nebenbei stoße ich auf Dinge, die mich zu neuen Themen führen. Annoncen wie zum Beispiel die in diesem Blogbeitrag. Sie drehen sich um Haarpflege, um Haarwasser und Shampoos – um Haare schön. Die Rede ist von „prachtvollem Schaum“ und „parasitärem Haarausfall“, von „ausgezeichneter Wirkung“ und „Teergehalt“, von „verständiger Haarpflege“ und „Übertragung von Haarkrankheiten“ und von einigem mehr.
Die Inserate erzählen viel: über Werbung früher (und heute), über Geschlechterbilder, über Schönheitsideale, über Hygiene. Sie zeigen uns, was Leute damals an ihre Haut ließen, um gut auszusehen, was die Kosmetikindustrie versprach.
Und sie zeigen eindrücklich, wie weit diese Versprechungen von der Lebensrealität entfernt sein können. In den gleichen Zeitungen ist zu lesen, wie viele Brotmarken pro Person ausgegeben werden, wie Menschen ihren mageren Mittagstisch „auffetten“ können, indem sie Wurzeln und Kräuter im Wald sammeln, wie sich eine Suppe strecken lässt, damit sie für fünf hungrige Mäuler reicht … Es ist Krieg.
Ich habe die Fotos archiviert – bei mir auf dem Computer. Eine Geschichte mehr wartet darauf, erzählt zu werden.
Der Auftrag, der mich ins Ferdinandeum führte, ist übrigens erledigt. Ich habe einen Beitrag über die Wiener Kriegsberichterstatter Franz Karl Ginzkey und Alice Schalek verfasst. Beide haben ihre Eindrücke von den Frontbesuchen in Tirol in Zeitungen und in Buchform veröffentlicht.
Zu lesen ist „Wiener Kriegsberichterstatter an der Tiroler Front. Franz Karl Ginzkey und Alice Schalek“ im Begleitbuch zur aktuellen Ausstellung „Heimat – Front. Tirol im Ersten Weltkrieg“, die noch bis Anfang November 2015 im Ferdinandeum zu sehen ist.
Und erhältlich ist das Buch hier: TLM-Shop
Fotos, wenn nicht anders angegeben, wie immer: © Susanne Gurschler
Hallo Susi, mich würden die Haarmittel doch sehr interessieren… Vielleicht hilft etwas von früher für ein Problem von heute
Könnte durchaus sein. Fürchte aber, etwaige Restbestände sind – wenn überhaupt – nur antiquarisch, auf Flohmärkten oder unter der Hand zu bekommen. 😉
Sind bei den Resten die Haare oder das Haarwuchsmittel gemeint, beides kann nämlich sehr rar sein…
🙂