Letztes Wochenende auf der Heimfahrt vom Textilmarkt in Benediktbeuern, nutzte ich die Gelegenheit, im „Franz Marc Museum“ vorbeizuschauen. Eine rundum gute Entscheidung: Just an diesem Wochenende wurden zwei Sonderausstellungen eröffnet: Michaela Melián – „Heimweh. Else Lasker-Schüler, Jussuf Prinz von Theben“ und „Franz Marc – Zwischen Utopie und Apokalypse“.
Franz Marc, 1880 in München geboren und 1916 bei Verdun (F) gefallen, war Mitbegründer der Künstlergemeinschaft „Blauer Reiter“ und gehört zu den bedeutendsten Vertretern des Expressionismus in Deutschland.
In der Jahrhundertwende-Villa, die beneidenswert idyllisch oberhalb des Kochelsees liegt, verbrachte Franz Marc nur wenige Monate bevor er 1914 in den Krieg zog. 1986 wurde hier das „Franz Marc Museum“ eröffnet; 2008 erhielt es einen Erweiterungsbau, in dem seither die Ausstellungsräumlichkeiten untergebracht sind.
Wie viele Künstler und Intellektuelle seiner Zeit war – leider – auch Franz Marc davon überzeugt, dass der Krieg eine reinigende, eine geradezu kathartische Wirkung haben und ein neues Europa entstehen würde. Dieses neu geordnete Europa, das, kaum von den Trümmern des 1. Weltkrieges befreit, in den noch gnadenloseren 2. Weltkrieg stürzte, sollte Marc nicht mehr erleben. Er fiel 1916 in Frankreich.
„Der Blaue Reiter ist gefallen, Ein Großbiblischer, an dem der Duft Edens hing“, schrieb die Dichterin Else Lasker-Schüler in ihrem Nachruf auf Franz Marc. Die beiden hatten sich 1912 kennengelernt und regen Briefkontakt gehalten. Sie schrieb fabelreiche Briefe, in denen sie in die Rolle von Jussuf, Prinz von Theben schlüpfte, und illustrierte sie. Er antwortete, ganz Blauer Reiter, mit in kräftigen Tönen gestalteten Postkarten – einige dieser wunderbaren Bilderkarten sind ausgestellt*.
Wie schwer es für Else Lasker-Schüler war, sich als Frau im Kreis der Expressionisten und einer nach wie vor männlich dominierten Kunstwelt zu behaupten, thematisiert die Installation „Heimweh. Else Lasker-Schüler, Jussuf, Prinz von Theben“ der Künstlerin Michaela Melián.
Auf Deutsch, Hebräisch und Arabisch wird das Gedicht „Heimweh“ von Else Lasker-Schüler rezitiert, während Ausschnitte aus dem zeichnerischen Werk von „Jussuf, Prinz von Theben“ via Dia-Projektor an die Wand übertragen werden, gebrochen und reflektiert durch Flaschen, Gläser und Gefäße, die auf dem Tisch davorstehen.
Im ersten Stock rückt dann jene Arbeit von Marc ins Zentrum, die eine Fülle von Interpretationen und Kontroversen auslöste: „Kämpfende Formen“, entstanden kurz vor seinem Aufbruch in den Krieg.
Vielen sind die dominanten Farben Rot und Schwarz Sinnbild für den Kampf Gut gegen Böse, eine düstere Kriegsahnung. Tatsächlich vermeint man bei genauerer Betrachtung einen Greifvogel auszumachen, der sich auf ein sich krümmendes, sich windendes Tier stürzt. Während der linke Teil durch zackige Formen und klare, kräftige Farbstrukturen Dominanz suggeriert, wirkt der durch rundere und feinere Übergänge gezeichnete blau-schwarze Bereich defensiv.
Anhand zahlreicher weiterer Beispiele zeigt die Ausstellung wie zentral die Themen Abstraktion und Gegenständlichkeit nicht nur bei Franz Marc waren, sondern auch bei anderen Künstlern seiner Zeit – wie etwa Paul Klee, Max Beckmann oder dem Franzosen Robert Delaunay, dessen kristalline Formen die deutschen Expressionisten inspirierten. Und sie stellt Themen und Werke in Beziehung zueinander, leitet über zur Kunst der Nachkriegszeit und Künstlern jüngerer Zeit wie etwa Ben Nicholson.
Die Schau ist thematisch eingängig und klar strukturiert, sodass man mit den wenigen erläuternden Texten** in den Räumen durchaus das Auslangen findet und die kraftvollen Bilder einfach auf sich wirken lassen kann.
Unterstützt wird die klare Linie durch die schlichte und kluge Architektur des Zubaus, errichtet nach den Plänen des Schweizer Architekturbüros Diethelm und Spielmann.
Zum Abschluss lenken einen dann Gemälde von Seen und Badenden in jenen Raum, der ganz ohne Bilder auskommt, dafür einen atemberaubenden Blick auf den Kochelsee eröffnet. So atemberaubend, dass man sich gar nicht sattsehen kann, selbst bei nebelschwangerem Himmel.
Die Ausstellungen „Franz Marc – Zwischen Utopie und Apokalypse. Kämpfende Formen” und Michaela Meliáns Installation „Heimweh, Else Lasker-Schüler, Jussuf, Prinz von Theben“ sind bis 15. Jänner 2017 im „Franz Marc Museum“ in Kochel am See zu sehen. Weitere Infos unter www.franz-marc-museum.de
* Im Museum durfte nicht fotografiert werden.
** Es gibt natürlich einen Audio-Guide, aber ich kann mich damit einfach nicht richtig anfreunden: Oft sind gerade die Werke nicht behandelt, die mich anspringen.