Die Festung Franzensfeste bei Brixen in Südtirol: Niemals wurde hier das Land verteidigt, von starker Symbolkraft ist sie trotzdem und von einer imponierenden Ästhetik. Die weitläufige Anlage ist wie gemacht für zeitgenössische Kunst. Von der es hier ruhig mehr geben könnte.
Die Sonderausstellungen sind immer wieder ein willkommener Anlass für mich, die Festung Franzensfeste zu besuchen, die seit 2017 zu den Südtiroler Landesmuseen gehört. Denn dieses Ensemble fasziniert mich ungemein – 65.000 Quadratmeter umfasst es insgesamt.
Wer über die Autobahn Richtung Bozen braust, kann sie nicht übersehen, die wuchtige Untere und Mittlere Festung linker Hand und rechter Hand die Obere Festung, die über 451 Stufen zu erreichen und ausschließlich im Rahmen einer geführten Tour zu besichtigen ist. Für die Untere und die Mittlere Festung reicht die Eintrittskarte.
Symbolträchtiges Bollwerk
Bis 2003 war der zwischen Brixen und dem Ort Franzensfeste gelegene Komplex militärisches Sperrgebiet. Niemals wurde hier gekämpft: Weder unter den Habsburgern, die sie errichten ließen, noch unter den Italienern, denen Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg zugeschlagen wurde.
Geplant hat die durch und durch funktionale Wehranlage Franz von Scholl, dessen Handschrift auch die Festung Nauders trägt. Viel Granit, viel Ziegel.
Ihr Namensgeber, Kaiser Franz II., starb noch vor der Eröffnung. Als „malerisch schön“ wurde die Franzensfeste 1835 beschrieben und als trotzend wie ein Löwe. Zähne zeigen musste sie nie, die mächtige Talsperre.
Dafür zogen bald die Brennerbahn (1867) und die Pustertalbahn (1871) eine Schneise durch die militärische Anlage. Seit 1939 umspült ein Stausee die Mauern der Unteren Festung. Sein malerisches Grün – dem Grün des Inns nicht unähnlich – lässt mich jedes Mal schwärmen.
Jedes Mal spaziere ich über die Brücken, die anlässlich der Adaptierung der Festung als Museum errichtet wurden. Sie kragen aus und eröffnen einen fantastischen Blick über den See und gen Norden. Immer fotografiere ich, immer beinahe identische Ausschnitte.
Ich könnte Stunden hier verbringen oder auf der Aussichtsplattform auf der Mittleren Festung oder in einem der Höfe, in denen vereinzelt schattenspendende Bäume wachsen und zu einem Picknick einladen – jedenfalls aber dazu, sich ins Gras zu legen und in den Himmel zu schauen oder auf die dicken Mauern, auf die nächste Schießscharte oder den nächsten Eingang zu einer der Kasematten, zu einem der Lager.
Das imposante Bollwerk war stets nur Depot. Im Zweiten Weltkrieg wurde hier der Goldschatz der Banca d’Italia versteckt – 127,5 Tonnen Gold. Dafür ließ die SS von Gefangenen einen eigenen Stollen schlagen, links neben der Kapelle ist der Eingang – die plötzliche Kühle, die Düsterkeit dort macht beklommen und aufmerksam.
Ein goldener Schatz
Zahlreiche Legenden ranken sich um den Verbleib des des Schatzes. 1944 soll ein Teil die Festung wieder verlassen haben – wo das Gold landete, liegt im Dunkeln. Die US-Armee jedenfalls fand nur noch 25 Tonnen, die wieder in den Besitz des italienischen Staates kamen.
Bis 2003 war die Festung Franzensfeste militärisches Sperrgebiet, stacheldrahtbewehrt und gut bewacht. Dann stand sie leer, um schließlich als Ausstellungsort, als begehbare Zeugin der Vergangenheit adaptiert zu werden – und das architektonisch wirklich hervorragend, um nicht zu sagen sensationell.
Moderne Kunst
2008 fand in der Franzensfeste die europäische Biennale für zeitgenössische Kunst „Manifesta“ statt, 2009 folgte die Südtiroler Landessausstellung, die unter dem Motto „Freiheit“ stand. Beide zeigten: Zeitgenössische Kunst steht diesem Gemäuer ausgezeichnet – in den Innen- wie in den Außenräumen. Einige wenige markante Werke sind geblieben.
Jedes Mal schaue ich sie mir aufs Neue an, jedes Mal bin ich aufs Neue begeistert. Julia Bornefelds rotierende Lichtinstallation „Ariadne Asteroid Centrifuge“ zum Beispiel: Leuchtende Lichtbündel rotieren in einem abgedunkelten Raum um ein zentrales Gestirn wie die Planeten um die Sonnen, begleitet von sphärischer Musik.
Oder die „Militärzeichnungen“ des Künstlers Robert Bosisio aus den Jahren 1982-83, die stark vergrößert in den Kasematten der Mittleren Festung zu sehen sind: Alltagsszenen aus der Zeit seines Militärdienstes, die in diesem Ambiente ganz unmittelbar wirken.
Zwei von einer Handvoll moderner Kunstwerke – es könnten ruhig mehr sein. Viel mehr sogar.
Die aktuellen Sonderausstellungen allerdings haben Historisches und Technisches im Fokus. Sie befassen sich mit den Römischen Straßen, die einst durch Südtirol führten (noch bis 3. Juni 2018), und mit der Geschichte des Seilbahnwesens in Tirol.
Letztere war Anlass meines jüngsten Besuchs. Mein Beitrag über „Immer auf Draht. Seilbahnen vernetzen“, eine Ausstellung des Kuratoriums für technische Kulturgüter, gibt es in der Juni-Ausgabe der Tiroler Straßenzeitung 20er. Zeit, sie sich anzuschauen gibt es genug: Die Schau läuft bis April 2019.
Und, das Interesse geweckt? Ich hoffe: Ja! – Alle Infos gibt’s noch einmal hier.
Alle Fotos: © Susanne Gurschler