Es ist schon einige Monate her, dass ich es gelesen habe. Doch dieses Buch beschäftigt mich immer noch: „Blauschmuck“ von Katharina Winkler.
„Wölfe kommen über den Hügel geflogen, einer nach dem anderen, sechs, sieben, ein Rudel: Sie stürzen sich auf die Schafe, die Zähne voran, zerfetzen die Beute. Gedärme und Mägen voll Gras, reißen sich gegenseitig das Fleisch aus dem Maul, zitternde Gerippe tänzeln zwischen den Gerissenen.“
Es gibt Lämmer und es gibt Wölfe.
Filiz lernt früh, wer die Wölfe sind. Sie wächst in einer archaischen Welt auf, in einer Welt, in der Männer bestimmen, Frauen und Kinder kuschen. Der „Blauschmuck“, den die Frauen tragen, zeugt davon: Blutergüsse am ganzen Körper infolge brutaler Misshandlungen. Mit Zwölf lernt Filiz Yunus kennen, mit 15 heiratet sie ihn. Die große Liebe wird zum Alptraum. Ihr Mann misshandelt sie seelisch und körperlich. Die Spirale der Gewalt dreht sich auch weiter, als die junge Familie nach Österreich kommt.
„Der Tod spricht mit mir. Er rückt mir das Messer in den Blick und legt mir den Strick in die Hand, er öffnet den Arzneischrank und liest mir die Beipackzettel der Medikamente vor. Meine Sehnen zeichnen sich deutlich ab, meine Pulsadern nicht. Ich habe keine Badewanne, aber Balken gibt es genug.“
Am Ende wird sie dem Martyrium entkommen.
„Blauschmuck“, der Debütroman der österreichischen Autorin Katharina Winkler, beruht auf einer wahren Begebenheit und treibt einen durch eine Welt voller Brutalität und Grausamkeit. Trotzdem konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen. Denn Katharina Winkler beschreibt diese Welt in einer ungeheuer präzisen, klaren, einer überaus poetischen Sprache und in Bildern, die lange, sehr lange nachwirken.
Ein aufwühlendes Thema. Ein grandioses Debüt. Und – völlig zu Recht – auf der Shortlist „Debüt 2016 – Österreichischer Buchpreis“.
Katharina Winkler: Blauschmuck. Roman. Suhrkamp Verlag 2016.